Pentagon-Chef auf Afrikareise: Wird der Kontinent zum Spielball der Weltmächte?
Von Nikita Panin
US-Verteidigungsminister Lloyd Austin begab sich kürzlich auf eine Afrikareise und markierte damit den ersten Besuch eines Pentagon-Chefs dieser Art seit 2020, als Mark Esper Tunesien, Algerien und Marokko besuchte. Im Gegensatz zu der Reise von Esper, der Subsahara-Afrika keine Aufmerksamkeit schenkte, sollte die Reise von Austin die Haltung der Biden-Regierung bekräftigen, dass die USA all ihre Karten auf Afrika setzen.
Während Afrika auf der außenpolitischen Agenda der Vereinigten Staaten immer noch eine untergeordnete Rolle spielt, setzt Washington seine Bemühungen fort, engere Beziehungen zu dem Kontinent zu pflegen. Offensichtlich sind sich die USA der jüngsten Vorstöße Russlands in der Region bewusst, sowie der starken Präsenz Chinas in den meisten afrikanischen Ländern. Um dem entgegenzuwirken, was die USA als "schädliche Aktivitäten" bezeichnen, hat Washington kürzlich seine Haltung gegenüber den afrikanischen Staaten neu ausgerichtet.
Eine koordinierte Charme-Offensive
Die Besuche von Lloyd Austin in Dschibuti, Kenia und Angola knüpften an vorangehende Besuche hochrangiger US-amerikanischer Offizieller in Afrika an. Finanzministerin Janet Yellen war im vergangenen Januar als erste zu einem Besuch nach Senegal, Sambia und Südafrika gereist. Die US-First Lady Jill Biden folgte diesem Beispiel und bereiste Ende Februar dieses Jahres Namibia und Kenia. Im März folgten die Verhandlungen von US-Außenminister Antony Blinken in Äthiopien und sein Besuch in Niger, was die erste Reise des obersten Diplomaten Washingtons in dieses Land darstellte. Im August reiste Blinken dann nach Südafrika, in die Demokratische Republik Kongo und nach Ruanda.
Anderswo hatte US-Vizepräsidentin Kamala Harris bereits eine eigene "Charmeoffensive" gestartet, indem sie im vergangenen März nach Ghana, Tansania und Sambia reiste. Darüber hinaus wurde auch die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Linda Thomas-Greenfield, nach Afrika entsandt, wo sie Anfang des Jahres Ghana, Mosambik und Kenia besuchte. Den ganzen Sommer über hielten sich zudem Gerüchte, dass Vorkehrungen für einen seit langem bevorstehenden Besuch von Joe Biden selbst getroffen würden. All dies legt nahe, dass die Rundreise von Austin im Kontext der umfassenderen Wiedereingliederung der USA in Afrika gesehen werden sollte, angesichts des zunehmenden Wettbewerbs um geopolitischen Einfluss auf dem afrikanischen Kontinent.
Freundschaft und Verbundenheit zum Ausdruck bringen
Der US-Verteidigungsminister eröffnete seine Drei-Länder-Reise im Kleinstaat Dschibuti, das für sein dichtes Netz ausländischer Militärstützpunkte an der Mündung des Roten Meeres bekannt ist. Darunter befindet sich Camp Lemonnier, der einzige permanente US-Militärstützpunkt in Afrika. Seit 2002 zeugt diese Einrichtung von der "strategischen Partnerschaft, die beide Länder im kritischen Bereich der Verteidigung und der Sicherheit verbindet", wie es Austin gegenüber Dschibutis Staatschef, Präsident Ismaïl Omar Guelleh, formulierte. Berichten zufolge erwägen Dschibuti und die USA eine Ausweitung des Mandats des US-Stützpunkts Camp Lemonnier, als "ein an vorderster Front stationiertes Tandem zur Bekämpfung von Terrorismus, Extremismus und Seepiraterie."
In ähnlicher Weise wurden die Diskussionen auch in Kenia fortgesetzt, wo Austin seinem Amtskollegen Aden Duale dafür dankte, dass er US-Streitkräfte in Manda Bay beherbergt. Die Zusammenarbeit in der Verteidigung zwischen den beiden Ländern wird bald durch ein neues Abkommen gestärkt werden. Dieses Abkommen gibt den Weg für den Ausbau der Führungsrolle Kenias bei der Gewährleistung der Sicherheit in seiner eigenen Subregion vor. Das Abkommen geht aber weit darüber hinaus, insbesondere betreffend Haiti, wo Kenia sich bereiterklärt hat, eine multinationale Sicherheitsmission anzuführen.
Dieses Abkommen sieht eine umfassende Ausbildung sowie finanzielle und technische Hilfe für Kenia vor, was das Land zu einem privilegierten Partner unter den wenigen afrikanischen Nationen macht, die Abkommen im Bereich der Verteidigungskooperation mit den USA unterzeichnet haben. Dazu gehören Ruanda, Südafrika, Senegal, Nigeria und Ghana. Trotz blumiger Rhetorik gab es in diesen Ländern allerdings stets Bedenken hinsichtlich des wahren Nutzens solcher Abkommen.
In Ghana beispielsweise argumentierte der frühere Präsident Jerry Rawlings, zusammen mit dem ehemaligen Chef des Verteidigungsstabs, Joseph Nunoo-Mensah, dass das Abkommen, ähnlich dem, das mit Kenia unterzeichnet wurde, nicht die nationalen Interessen Ghanas widerspiegeln würde. Konkret war der Vorwurf von Rawlings und Nunoo-Mensah, dass die USA versuchen würden, das Fehlen eines Hauptquartiers der AFRICOM in Afrika zu kompensieren, das sich derzeit auf dem deutschen Luftwaffenstützpunkt Ramstein befindet. Mit diesem Abkommen wolle Washington sich die Möglichkeit verschaffen, Ghana "als permanenten Stützpunkt für Angriffe und militärische Operationen auf dem gesamten afrikanischen Kontinent zu nutzen."
Aber hinter der Rundreise von Lloyd Austin steckte offensichtlich mehr. In Dschibuti beispielsweise stellte er das neue strategisches Mantra der USA für Afrika vor: "Verteidigung, Diplomatie und Entwicklung". Dieser Ansatz soll die USA als "Partner erster Wahl" für afrikanische Länder festigen, vorzugsweise als Gegenpol zu China und Russland. Im krassen Gegensatz zum Wortlaut der im August 2022 vorgestellten US-Strategie für die afrikanische Subsahara, stellte der Pentagon-Chef wiederholt fest: "Wir fordern die Länder nicht auf, zwischen uns und anderen Ländern zu wählen", und bezog sich dabei hauptsächlich auf den chinesischen Militärstützpunkt in Dschibuti. Es war, als hätte er die Worte des russischen Außenministers Sergei Lawrow wiederholt, der sagte, dass Moskau die Afrikaner niemals dazu verleiten werde, Partei zu ergreifen, sondern stattdessen einen ausgewogenen Ansatz im gegenseitigen Interesse anbiete. Austin hat damit den langjährigen Grundsatz der russischen Diplomatie vertreten. Aber meint Washington das wirklich so?
Die letzte Etappe der Rundreise von Austin war Angola, und diese Etappe war weit politischer als die vorangehenden. Im Wesentlichen wurde die Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheit mit dem Land im Süden Afrikas angepriesen, das jetzt als "hochgeschätzter Partner" und "aufstrebender Anführer in der Region" bezeichnet wird. In seinen Ausführungen ging Austin auf die umfassenderen Aspekte des US-amerikanischen Engagements in Afrika ein, in Bereichen wie Konfliktprävention, Stärkung der Rolle der Frau, Cybersicherheit, Kampf gegen Infektionskrankheiten und Klimawandel.
Dies war eine programmatische Ansprache oder sogar eine Vision über "eine Partnerschaft der Grundsätze und des Fortschritts", die eindeutig an ein größeres Publikum als die anwesenden Minister und Botschafter gerichtet war. Tatsächlich passte Austin perfekt zu einer solchen Ansprache, da er versuchte, Brücken zu bauen und tief verwurzelte Wunden zu heilen, inmitten der zunehmenden Rhetorik des Anti-Neokolonialismus, der sich auf dem gesamten Kontinent breit macht.
"Ich bin in einer Zeit der legalisierten Rassentrennung in den USA aufgewachsen und stehe heute hier in Afrika als erster schwarzer US-Verteidigungsminister", sagte Austin. Sein Leitgedanke war, dass "Afrika wichtig ist" für den gemeinsamen Wohlstand und die gemeinsame Sicherheit, wobei die USA ihr Engagement ernst nehmen würden. In Wahrheit war Washingtons Afrika-Politik größtenteils ein "Auf-und-Ab"-Unterfangen, bei dem das Interesse an diesem Kontinent genauso schnell erwachen, wie es nachlassen konnte. Für Afrika waren in der Vergangenheit andere Partner einfach zuverlässiger.
Nicht zufrieden damit, der Erste unter Gleichen zu sein
Ein herausragendes Merkmal der Positionierung der USA in der Welt, ähnlich wie in Afrika, ist die Art und Weise, wie Washington sich von anderen potenziellen Partnern unterscheidet. Auch dieses Mal versprach der US-Verteidigungsminister, dass die USA afrikanische Nationen als "Partner" betrachten, während sie andere Länder "als Stellvertreter oder sogar als Schachfiguren" behandeln. Austin erklärte, dass "die Menschen in Afrika es verdienen, ihren eigenen souveränen Weg einzuschlagen" und verwies darauf, dass "Autokraten freie und faire Wahlen untergraben und friedliche Machtübergänge blockieren." Demokratie ist für die USA ein begleitendes Thema in Bezug auf Afrika.
Die offizielle Strategie bietet einen stringenteren Ansatz als die des Chefs des Pentagons. Tatsächlich hält diese Strategie es für unmöglich, "schädlichen Aktivitäten externer Kräfte" – eine offensichtliche Anspielung auf Russland und China – entgegenzuwirken, ohne dass damit einhergehende Veränderungen in afrikanischen Ländern stattfinden. Dies offenbart eine gewisse Diskrepanz in der Herangehensweise der USA an die Region.
Einerseits sollte sich niemand in die inneren Angelegenheiten afrikanischer Nationen einmischen. Andererseits sind es vor allem die USA, die "den Afrikanern Wahlmöglichkeiten bieten, wenn sie ihre eigene Zukunft bestimmen wollen, und damit die Möglichkeiten für negative staatliche und nicht staatliche Akteure begrenzen." Dafür muss "die jüngste Welle des Autoritarismus und der militärischen Machtübernahmen" eingedämmt oder sogar rückgängig gemacht werden. Diese Strategie setzt zu diesem Zweck Zuckerbrot und Peitsche ein. Im offiziellen Strategiedokument von 2022 heißt es wörtlich: "eine gezielte Mischung aus positiven Anreizen und Strafmaßnahmen."
Dieser Ansatz hinterlässt bei den Afrikanern gemischte Gefühle. Auch wenn die USA es mit der Wiedereingliederung ernst meinen, so setzen sie immer noch auf die eigene Exklusivität und nicht auf die Bereitschaft, ein Partner unter vielen zu sein.
Aus dem Englischen.
Nikita Panin ist Programmkoordinator beim Russischen Rat für internationale Angelegenheiten und Experte an der Hochschule für Wirtschaft mit Schwerpunkt Afrika.
Mehr zum Thema - Macron kann es nicht akzeptieren – aber Frankreich hat Afrika verloren
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.