Meinung

USA zwingen Kiew zu zweiter Gegenoffensive: Endschlacht für Kiew und die westzentrierte Weltordnung

Endschlacht, damit ist eine umfassende Niederlage des ukrainischen Militärs und des hinter ihm stehenden westlichen Politik-Establishments gemeint: Denn sie wird das Ende der westlichen Dominanz einläuten und ein wichtiger Faktor bei der Änderung der politischen Weltordnung sein.
USA zwingen Kiew zu zweiter Gegenoffensive: Endschlacht für Kiew und die westzentrierte WeltordnungQuelle: AFP © Dimitar DILKOFF / AFP

Von Sergei Mirkin

Wladimir Selenskij hat in der zweiten Aprilhälfte 2024 vollmundig erklärt, den Plan für eine zweite "Gegenoffensive" vorliegen zu haben. Beobachter werten seine Ankündigung so, dass er dem Teil des US-Establishments, der in eigener Sache Lobbyarbeit für ihn betreibt, eine Garantie gibt: Im Herbst 2024, pünktlich zu den Präsidentschaftswahlen in den USA, wird das ukrainische Militär diese neue "Gegenoffensive" starten.

Hierfür werden im Sommer 100.000 bis 300.000 Mann im Rahmen der Mobilmachung zum Kriegsdienst eingezogen. Anschließend werden ukrainische Truppen in eine breit angelegte Offensive in gleich mehreren Stoßrichtungen gehen – mit viel, viel Infanterie. Auf Verluste wird dabei nicht geachtet werden.

Wohl nicht zuletzt auf derartige Versprechen hin ließ Michael Johnson, Republikaner und Vorsitzender in der Unterkammer des US-Parlaments, endlich über den jüngsten Entwurf für einen Gesetzesakt abstimmen, gemäß welchem weitere Gelder für militärische Hilfen an Kiew genehmigt werden – obwohl ein großer Teil seiner Parteigenossen sich dagegen sträubte.

Natürlich muss Johnson zwischen mehreren Gruppierungen der politischen Landschaft der USA manövrieren und sich beim Bedienen ihrer Interessen im Gleichgewicht halten, wenn er auf seinem Posten bleiben will. Zu den Befürwortern weiterer militärischer Hilfslieferungen und überhaupt Geldern für Kiew gehören die Magnaten des militärindustriellen Komplexes der USA: Ein großer Teil dieser Gelder wird so oder so bei der US-Rüstungsindustrie landen, ob nun die ukrainischen Arsenale unmittelbar beliefert werden sollen oder eben indirekt, aus US-Rüstungsgutbeständen – weil diese danach ja auch aufgefüllt werden müssen. So fanden Journalisten denn auch Lobbyisten der US-Rüstungsindustrie in Johnsons Kreis vor, was kaum verwunderlich ist.

Als Hauptinteressent weiterer Gelder für das ukrainische Militär drängt sich indes das Weiße Haus auf. Anscheinend ist Bidens Mannschaft nichts Besseres eingefallen als die Reanimation des alten Plans für eine ukrainische "Gegenoffensive". Die alte Idee, an die man sich dort diesbezüglich hielt, war: Im Frühjahr oder Sommer 2023 beginnen ukrainische Truppen ihre Offensive im Süden der Front und erreichen – unter günstigen Umständen – die Grenzen der Krim. Somit findet sich die Halbinsel unter Feuerkontrolle seitens ukrainischer Artillerie und Lenkflugkörperträger wieder. Dies wird in Russland als Niederlage gewertet – und auf deren Grundlage kann der Westen dann in Russland einen Aufstand aufwiegeln oder die Lage auf sonstige Weisen destabilisieren.

Als Maximalaufgabe schwebte Washington vor, in Russland eine liberale Regierung an die Macht zu bringen, die dem Westen vollständig ergeben wäre und unter dessen voller Kontrolle stünde. Russland zum Akzeptieren eines vom Westen diktierten Friedens zu zwingen, wäre die Minimalaufgabe.

Wäre auch nur die Minimalaufgabe erfüllt worden, hätte Bidens Mannschaft ihren bedingungslosen geopolitischen Sieg über Russland verkünden können. Doch irgendwie ist das dann doch nicht eingetreten. Und folglich stellte sich der Biden-Regierung sehr akut die Frage: Wie soll man sich vor der Wählerschaft für über 100 Milliarden US-Dollar rechtfertigen, die in das Zwerg-Nase-Projekt "Maidan-Ukraine" hineingebuttert wurden?

Und die kreative Ader im Team Harris-Biden erschöpfte sich damit, auf eskalierendes Commitment bei der Wählerschaft zu hoffen und in dieser Hoffnung gutes Geld schlechtem Geld hinterherzuwerfen: Sprich, das ukrainische Militär wieder in eine Offensive zu zwingen, – und den Kongress dazu, ins Kiewer Schwarze Loch weitere Dutzende Milliarden US-Dollar hineinzuschaufeln.

Wenngleich die Ziele für diese, neue Offensive möglicherweise etwas bescheidener gesetzt werden. Vielleicht würden sich das Weiße Haus und das Pentagon diesmal damit zufriedengeben, dass Kiews Truppen irgendeine größere Ortschaft erobern und sie bis zu den US-Präsidentschaftswahlen auch halten. Dies könnte die US-Regierungspropaganda der eigenen Bevölkerung nämlich als einen Sieg präsentieren. Dabei wird es den US-Behörden wie dem US-Publikum natürlich gänzlich schnuppe sein, wieviele ukrainische Bürger ums Leben kommen, wie die Offensive sich auf die allgemeine Lage des ukrainischen Militärs niederschlagen wird und ob dieses danach einem Großangriff Russlands wird standhalten können. Denn der außenpolitische Kurs des Weißen Hauses lässt sich aktuell auf zwei Punkte herunterbrechen: eine Eskalation im Nahen Osten zu vermeiden – und ins Feuer des Ukraine-Konflikts Öl nachzugießen.

Die jeweils unterschiedlichen Herangehensweisen in Bezug auf Israel und die Ukraine seitens der Angelsachsen zeigten sich sehr gut anhand der Ereignisse in der Nacht auf den 14. April 2024 – als Iran einen Massenangriff mit Marschflugkörpern, ballistischen Raketen und Kamikazedrohnen gegen Ziele auf israelischem Staatsgebiet durchführte. Beteiligt an der Abwehr dieses Angriffs waren Luftstreitkräfte der USA und Großbritanniens – woraufhin Selenskij die Frage nach dem Schutz des ukrainischen Luftraums durch westliche Luftstreitkräfte stellte. Pentagon-Sprecher John Kirby und der britische Außenminister David Cameron entgegneten ihm, einen solchen Schutz werde es nicht geben. Sprich, es gibt da eine Linie, die zu übertreten der kollektive Westen sich demonstrativ weigert: Ein Präsenzkonflikt der NATO-Truppen mit Russlands Streitkräften ist für ihn tabu. Entsprechend erklärte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, die Ukraine solle sich selbst mit Militärpersonal versorgen und alle Probleme in diesem Zusammenhang selbst lösen. Die NATO-Staaten würden Kiew nur Waffen geben. Das sagt uns, dass die von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron aufgeworfene Idee mit der Entsendung von Truppen aus NATO-Staaten in die Ukraine vollständig verworfen wurde.

Alles hat sich in extremer Einfachheit und Klarheit offenbart: Die Ukraine soll dem kollektiven Westen einen Blutzoll bezahlen. Entsprechend verbergen ukrainische Politiker nicht, jüngst aufgrund der Unzufriedenheit des Westens aus dem neuen Mobilmachungsgesetz eine Norm gestrichen zu haben – die über die Demobilisierung von Soldaten nach langem Frontdienst. Sie sagen: Würden kampffähige Männer wieder nach Hause geschickt, würde es ja so aussehen, als wollte die Ukraine kapitulieren – und dann hätte es keinen Sinn, ihr weiter zu helfen.

In Wirklichkeit aber ist alles einfacher: Der Westen hat seinem Marionetten-Regime von Maidan-Putschisten befohlen, alle Männer einzuziehen, die es nur in die Finger kriegen kann – und sie in einer neuen "Gegenoffensive" in die Schlacht zu werfen.

Was aber, wenn diese "Gegenoffensive" krachend scheitert? Und wir verstehen alle: Genau das wird auch eintreten.

Denn freilich kann der ukrainische Staat alle Männer (nur Männer?) einziehen, die die Menschenjäger seiner Wehrämter einfangen können; natürlich wird der Westen Waffen und Munition geben, die er in den Ecken seiner Arsenale zusammenklauben kann und vielleicht noch etwas von Drittstaaten hinzukaufen. Dies wird alles gegen Russland gerichtet. Natürlich wird Selenskijs Clicque im Namen der ephemerischen Hoffnung aufs eigene politische Überleben zigtausende ukrainische Bürger verheizen; vom Westen gelieferte Kamikazedrohnen und Lenkflugkörper werden Infrastrukturobjekte (bestenfalls nur diese) in Russlands tiefem Hinterland angreifen. Beispielsweise sprach Selenskij davon, im Rahmen dieser Offensive die Krim-Brücke angreifen zu wollen.

Leicht wird es für Russland nicht – doch seine Armee und Gesellschaft werden dem zweifellos standhalten. Wird aber die Ukraine ihre Niederlage in dieser Offensive überleben?

Hier sind Zweifel mehr als berechtigt. Und hier könnte sich die Frage nicht nur nach der Liquidierung des Projekts "Maidan-Ukraine" stellen, sondern dieser Staat auch im Ganzen von der politischen Weltkarte verschwinden. Und eine derartige außenpolitische Niederlage, zumal auch noch unmittelbar vor den Wahlen, könnte sich für Biden im Besonderen und für die Demokratische Partei der USA im Allgemeinen als fatal erweisen: Eine umfassende Niederlage der ukrainischen Militärs – und damit der hinter ihm stehenden westlichen politischen Eliten und Rüstungsindustrie – wird das Ende der westlichen Weltdominanz donnernd einläuten und eine wichtige Rolle beim dauerhaften Umbau der Weltordnung aus einer monopolaren in eine multipolare spielen.

Die neue "Gegenoffensive", zu der Kiew vom Westen gedrängt wird, könnte die Endschlacht für die Ukraine, Biden samt seinen Demokraten und die westzentrierte Weltordnung werden.

Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei Wsgljad.

Sergei Mirkin ist ein Journalist aus Donezk mit Spezialisierung im Bereich geschichtliche und politische Themen. 

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