Meinung

Koalitionsklausur: eine Seifenoper mit Nebendarstellern

Ein dramatischer Streit zwischen Wärmepumpenfans und Autobahnanhängern, so wird die Koalitionsklausur verkauft, und es wird so getan, als habe sie sich mit den allerwichtigsten Fragen befasst. Das hat sie natürlich nicht. Über wichtige Fragen wurde nicht einmal gesprochen.
Koalitionsklausur: eine Seifenoper mit NebendarstellernQuelle: www.globallookpress.com © Michael Kappeler

Von Dagmar Henn

Im Grunde genügt eine einzige Information, um zusammenzufassen, womit sich diese Koalition zwei Tage lang befasst hat. Die BahnCard 100 soll zukünftig auch den Nahverkehr der Städte beinhalten. Die Bahncard100 besaßen im Jahr 2021 ganze 36.000 Personen, darunter sämtliche Bundestagsabgeordneten. Das ist eine der Errungenschaften dieser Verhandlungen.

Sechzehn Seiten umfasst das Papier, in dem die Einigung festgeschrieben ist, und wenn man es liest, gewinnt man den Eindruck, in Deutschland gäbe es keine Probleme außer dem Klimaschutz. Keine beginnende Deindustrialisierung, keine Wohnungsnot, keine Armut, auch keine Gefahr eines globalen Krieges, alles wunderbar und vollkommen, nur darüber, wann welche Heizung zu verbieten ist, konnte man nur schwer einig werden.

Hoffnungen, es hätte in den letzten Monaten doch zunehmenden Druck aus der Industrie gegeben, von diesem Wahn abzuweichen, erwiesen sich damit als unbegründet. Nein, auch im LKW-Verkehr soll auf Elektro umgestellt werden, dabei sind schon die Personenfahrzeuge auf längere Strecken nicht zu gebrauchen. Und der Moment, ab dem Öl- und Gasheizungen untersagt sind (in Deutschland heizt allein jeder Dritte mit Erdgas) wird nur hinausgezögert, aber nicht aufgehoben.

An vielen Stellen wird mit Illusionen gehandelt. Es sollen weitere Offshore-Windparks gebaut werden, obwohl mittlerweile klar ist, dass diese Projekte dank der Korrosion durch die salzige Seeluft nicht lange genug funktionsfähig sind, um überhaupt einen Nutzen zu haben, ganz zu schweigen von den Trümmerlandschaften, die diese Bauwerke danach hinterlassen. Aber vielleicht taugen die Betonrümpfe dann ja dafür, Miesmuscheln zu züchten. Oder ein weiterer Geniestreich, mit dem die Grünen sich überzeugen ließen, ihre Bedenken gegen Ausgaben beim Autobahnbau fallen zu lassen (die letztlich vor allem in maroden Brücken versenkt werden müssen): Entlang jeder neuen Autobahnstrecke sollen Solaranlagen errichtet werden. Nachdem die Umgebung von Autobahnen in der Regel sehr staubig ist und die Effizienz von Solaranlagen stark nachlässt, wenn sie einmal mit einer Mischung aus Staub und Ruß bedeckt sind, müssten diese regelmäßig gereinigt werden. Oder sie werden zu einem rein symbolischen Bauwerk.

Die LKW-Maut wird erhöht und sie wird auch von Fahrzeugen zwischen 3,5 und 7 Tonnen erhoben, besagt der Beschluss. Da die LKW-Maut in jedes transportierte Gut einfließt, eine interessante Entscheidung vor dem Hintergrund einer ohnehin deutlichen Inflation. Aber weil so viele Stufen zwischen der Erhebung dieser Steuer und demjenigen liegen, der sie letztlich bezahlt, kann man, wie auch stets bei der CO2-Abgabe, so tun, als handele es sich dabei nicht um eine weitere indirekte Steuer, die man zu den anderen indirekten Steuern wie der Mehrwertsteuer hinzuzählen muss.

Die FDP hat nun also erstritten, dass auch mit synthetischen Kraftstoffen betriebene Fahrzeuge nach 2035 betrieben werden dürfen. Ist es nur ein vages Gefühl, dass niemand in der ganzen Truppe sich tatsächlich informiert hat, welche Mengen täglich von A nach B verbracht werden müssen, nur damit Ernährung und Produktion gesichert sind? Ganz zu schweigen davon, ob die transportierten Güter noch bezahlbar sind, wenn sie transportiert wurden? Der öffentliche Nahverkehr soll ausgebaut werden, aber ab 2030 sollen nur noch "klimaneutrale" Fahrzeuge beschafft werden dürfen. Nachdem die vernünftige Lösung Trolleybus keine Fans hat, heißt das überteuerte und nur begrenzt einsatzfähige E-Busse, die wegen ihrer begrenzten Fahrzeit dazu führen, dass für die Bedienung der gleichen Strecke doppelt so viele Busse zur Verfügung stehen müssen. Ein einfacher Blick auf die Finanzausstattung der Kommunen zeigt, dass so eben kein Ausbau des ÖPNV stattfinden wird.

Aber das kennt man ja mittlerweile, diese halb durchdachten, halb dahinfantasierten Pläne. Und dann finden sich immer wieder seltsame Lösungen. So, wie die CO2-Zertifikate als Einbeziehung externer Lasten verkauft wurden, aber letztlich nur eine weitere Spekulationsmöglichkeit schufen, endet auch die Vorstellung der ökologischen Ausgleichsflächen, nach der für jedes Stück verbrauchter Fläche andernorts entsprechender Ersatz geschaffen werden muss, in einer Aushändigung öffentlicher Mittel an Grundbesitzer, die nun ökonomisch wertlose Flächen auf Steuerzahlerkosten an die Bundesländer verkaufen können, die nämlich verpflichtet werden, einen Vorrat solcher Ausgleichsflächen anzulegen.

Aber die Wirkungen von Maßnahmen in anderen Bereichen vorher zu durchdenken und die Ergebnisse zu berücksichtigen, das ist längst keine Stärke der deutschen Politik mehr. Ausbau von Home Office und flächendeckende Glasfaseranschlüsse? Das mit der Glasfaser ist seit den Zeiten Helmut Kohls, unter einem Forschungsminister Riesenhuber, geplant und noch nicht gelungen, und vor kurzem erst hat der Beschluss der Bundesregierung zu Huawei dafür gesorgt, dass das auch mobil nichts wird. Das hat zumindest den Vorteil, eine Krise auf dem Markt der Gewerbeimmobilien hinauszuzögern, die die unvermeidliche Folge ist, wenn Bürofläche nicht mehr gebraucht wird, was wiederum die Banken in Schwierigkeiten bringen könnte, die diese Immobilien finanziert haben...

Wirklich, die günstigste Eigenschaft dieses Papiers ist, dass in ihm das Wort "soll" dominiert, das immer noch in einer Nichtumsetzung des Vereinbarten enden kann. Denn nichts im Handeln dieser Koalition deutet darauf hin, dass am Ende wirklich "sozial" dabei herauskommt, wenn gepredigt wird, man wolle soziale Härten vermeiden. Die Studenten haben wohl die bereits im letzten Herbst zugesagten Heizkostenhilfen immer noch nicht erhalten...

Die große Rätselfrage zur Stromversorgung beantwortet das Papier selbstverständlich nicht. Denn nicht nur die erwünschten Elektroautos erhöhen den Stromverbrauch weiter, gleiches gilt auch für die von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck so geliebten Wärmepumpen – die noch dazu den Nachteil haben, wesentlich weniger Wärme zu finden, wenn mehrere Nachbarn gleichzeitig... Im vergangenen Winter war es die Sicherung der Grundlast im Stromnetz, die das große Problem war, und das wird so bleiben, nur unter zunehmend schlechteren Voraussetzungen.

Es ist nun einmal so, dass die gesamte Energie, die aus den fossilen Brennstoffen gewonnen wird, die man unbedingt ersetzen will, irgendwoher kommen muss. Bisher wird nur etwa ein Fünftel der in Deutschland verbrauchten Energie in Gestalt elektrischen Stroms verbraucht. Die Hälfte wird für nicht durch Strom erzeugte Kühlung und Heizung verbraucht, 27,5 Prozent für den Verkehr. Allein eine weitgehende Umstellung des Verkehrs auf Elektrizität würde eine Verdopplung der Stromerzeugung voraussetzen. Wenn auch noch, wie durch Wärmepumpen, mehr Strom für Heizzwecke verbraucht wird, ist man schnell bei einer Verdreifachung. Findet sich irgendwo im Koalitionspapier eine Antwort auf die Frage, woher dieser Strom kommen soll? Außer Windrädern fällt ihnen nichts ein.

Am Ende war die ganze Nummer ein Schaulaufen, bei dem die Beteiligten so tun konnten, als betrieben sie Politik, ohne auch nur eines der wirklich relevanten Themen anzutasten. In der Kriegstreiberei sind sie sich alle einig, ebenso in ihrer transatlantischen Unterwürfigkeit, und offenkundig ist auch niemand mehr übrig, der den Industriestandort Deutschland verteidigt; andernfalls hätte diese Koalition zu diesem Zeitpunkt brechen müssen. Ganz zu schweigen davon, sich mit den wahrhaft monumentalen globalen Veränderungen zu befassen und nach einem Weg zu suchen, wie Deutschland in einer Welt gedeihen kann, in der man nicht mehr den Kolonialherrn spielen kann wie jüngst Häuptling Habeck in Brasilien.

Nachdem sich die Bewegung weg vom US-Dollar als Reservewährung gerade exponentiell beschleunigt, alle Anzeichen darauf hinweisen, dass die nächste Bankenkrise auf den Westen begrenzt bleiben wird und außerdem vor der Tür steht, hätte es wirklich existentielle Fragen gegeben, über die man hätte streiten können und müssen.

Nun denn. Habeck gab wieder einmal den Jung Siegfried für Studienräte, Bundeskanzler Olaf Scholz wird wie immer für seine mangelnde Führungsstärke kritisiert, obwohl die deutsche Journaille sein Schweigen zu Nord Stream liebt, Bundesaußenministerin Annalena Baerbock erklärt Wärmepumpen zur Sicherheitsfrage und Finanzminister Christian Lindner kann sich ein paar Kilometer Autobahn ans Revers heften, und alle miteinander, die Rezensenten des Schauspiels eingeschlossen, tun so, als sei das ein dramatischer Höhepunkt.

Dabei liefert diese Bundesregierung im besten Falle eine billige Seifenoper, und mit allen wirklich bedeutenden Fragen wird einträchtig so verfahren, wie das schon unter Angela Merkel Sitte war – sie werden zu den Akten gelegt.

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